Neuzeit
Die Eidgenossen erobern den Thurgau. Damit geht die landesherrliche Macht von den Habsburgern an die Regierenden Sieben „Orte“ über. Ein Vogt in Frauenfeld vertritt die an der Eroberung beteiligten Stände Zürich, Uri, Schwyz, Ob- und Nidwalden, Luzern, Zug und Glarus. Allerdings behielten der Bischof von Konstanz, die Stadt Konstanz sowie diverse Klöster und weitere weltliche Herren ihre angestammten Rechte.
1486
Das Kloster Petershausen verkauft seine Güter und Rechte in Landschlacht, die „halbe Herrschaft“, an die Nonnen von Münsterlingen. Diese werden so zu Gerichtsherrinnen des „halben“ Dorfes. Der Kaufpreis beträgt 1100 Pfund Konstanzer Währung. Es scheint dass die andere „halbe“ Herrschaft noch immer bei den freien Bürgern der Gemeinde lag.
1499
Im Schwabenkrieg legen die Eidgenossen starke Truppen vor die Stadt Konstanz. Es kommt zu etlichen Scharmützeln und zur Schlacht bei Schwaderloh. Eidgenössische Truppen besetzen auch einen Uferabschnitt bei Münsterlingen. Ein schwäbisches Lastschiff mit Versorgungsgütern, die für Konstanz bestimmt sind, wird hier gekapert. Der für die Eidgenossen erfolgreich verlaufende Krieg kostet die Stadt Konstanz das Landgericht im Thurgau, das sie bis anhin besessen hat. Die niedergerichtlichen Rechte bleiben bestehen. Scherzingen zählt damit weiterhin zur Vogtei Eggen, welche nach wie vor der Stadt Konstanz gehört.
Die Nonnen von Münsterlingen stellen sich unter den Schutz der Sieben Orte und erlangen einen Sitz im Gerichtsherrenstand.
1500
Die (katholische) Pfarrei Münsterlingen umfasst die Ortschaften Münsterlingen, Scherzingen, Bottighofen und Illighausen.
1519 - 1520
Martin Luthers reformatorische Lehre wird von bedeutenden Geistlichen aus der Stadt Konstanz (Ambrosius Blarer, Johannes Zwick u. A.) unterstützt und verkündet. 1525 wird zum ersten Mal ein evangelischer Prediger besoldet. Die Stadt nimmt 1527/28 den „neuen Glauben“ an und wird reformiert. Dem letzten katholischen Priester wird verboten, die Messe zu lesen. In kurzer Zeit wenden sich auch die meisten Gemeinden im Thurgau der reformierten Lehre zu.
1524
Der Beichtiger des Klosters Münsterlingen wendet sich dem reformierten Glauben zu. Zahlreiche Insassinnen des Klosters folgen seinem Beispiel.
1525
Die Reformation setzt sich in den meisten thurgauischen Gemeinden durch. Landschlacht und Scherzingen werden reformiert. Auch die meisten Münsterlinger Nonnen bekennen sich zur neuen Lehre und verlassen ihr Kloster. Eine von ihnen, Katharina Ryf, heiratet den Konstanzer Reformator Ambrosius Blarer.
1529
Im Kloster Münsterlingen predigt ein evangelischer Prädikant, die Messe ist abgeschafft. Die nunmehr evangelische Kirchgemeinde hält ihren Gottesdienst in der Klosterkirche.
1530
In diesem Jahr erhält Altnau einen evangelischen Seelsorger, Hans Henni aus dem Aargau. Im selben Jahr wird auch dem Kloster Münsterlingen von den eidgenössischen Ständen ein weltlicher Schaffner vorgesetzt, die Pfarrei Münsterlingen erhält einen evangelischen Prädikanten.
1533
In der Münsterlinger Klosterkirche, aus der alle Gegenstände für den katholischen Kultus entfernt worden waren, wird wieder ein Altar eingerichtet. Ein- oder zweimal im Monat wird wieder eine Messe gelesen.
1541
Ein schwerer Pestzug rafft auch grosse Teile der Bevölkerung am Bodensee hinweg. Vermutlich ist er eine Folge des ausserordentlich heissen Sommers 1540, verbunden mit Viehsterben, extremem Wassermangel, Lebensmittel- und Futterknappheit und Bränden.
Nach dem Wegzug der meisten Chorfrauen und dem Pestzug ist das Kloster Münsterlingen fast völlig verwaist.
1548
Kaiserliche Truppen erobern die Stadt Konstanz. Sie verliert ihren Status als reichsfreie Stadt und wird zu Vorderösterreich geschlagen. In den darauffolgenden Jahren wird Konstanz rasch rekatholisiert. Der evangelische Gottesdienst wird verboten, zahlreiche Reformierte verlassen die Stadt freiwillig oder werden dazu gezwungen. Etliche von ihnen lassen sich in der Vogtei Eggen, zu der auch Scherzingen gehört, nieder. Scherzingen als nunmehr rein evangelische Gemeinde hat nun als Gerichtsherrin die katholische Stadt Konstanz, die politisch zu Vorderösterreich gehört. Dabei bleibt es bis zu den napoleonischen Wirren am Ende des 18. Jahrhunderts.
1549
Das Kloster Münsterlingen wird mit drei Nonnen aus dem Kloster Engelberg besetzt. Damit beginnt die Neubelebung des klösterlichen Lebens in den alten Mauern, nach den Regeln benediktinischer Tradition. Das Visitationsrecht nimmt das Kloster Einsiedeln wahr. Zur Äbtissin wird die erst zwanzigjährige Magdalena Peter aus Uri ernannt.
Melchior Egli, Pfarrer in Scherzingen, übernimmt auch die Seelsorge in Rickenbach und Egelshofen. Die beiden Dörfer bleiben bis 1709 Filialgemeinden der Pfarrei Scherzingen-Bottighofen.
1558
Im Kloster Münsterlingen wird ein Gästehaus errichtet.
1565
Das Kloster Münsterlingen erhält ein sogenanntes „Hungertuch“ in Form eines auf Leinwand gemalten Bildes. Es verhüllt zur Fastenzeit das Bild des Hauptaltars. In der Schweiz sind nur wenige Fastentücher erhalten geblieben.
1566
Der Pegel des Bodensees steigt auf 5,80 Meter oder höher. Das Kloster Münsterlingen, unten auf der Landzunge gelegen, leidet auch in den kommenden Jahren immer wieder unter der Feuchtigkeit. Mit der Zeit reift der Entschluss, an höherer Stelle einen Neubau zu errichten.
1571
Infolge anhaltend schlechter Witterung führen die Ernteausfälle zu einer längeren Teuerung und Hungersnot.
1573
Eine langandauernde Kälte herrscht. Der Bodensee friert zu. Der Überlieferung nach soll in diesem Jahr die erste Seeprozession durchgeführt worden sein. Das Bildnis des heiligen Johannes wird feierlich von nach Münsterlingen nach Hagnau am deutschen Ufer getragen.
1584
Der Papst verlangt, dass der evangelische Gottesdienst in der Münsterlinger Klosterkirche ein Ende finde.
1592
Die Gemeinde Scherzingen regelt anstehende Probleme mit der Wohnsitznahme von Bewohnern in einem Einzugsbrief.
1594
Die Gemeinde Landschlacht erlässt ebenfalls Bestimmungen zur Wohnsitznahme durch einen Einzugsbrief.
Unter Landvogt Romanus Bässler aus Uri wird ein Vertrag geschlossen, aufgrund dessen die beiden Gemeinden Scherzingen und Bottighofen „für immer und ewig“ auf ihre Ansprüche auf die Kirche und den Friedhof in Münsterlingen verzichten. Im Gegenzug muss ihnen das Kloster Münsterlingen eine Kirche mit Turm und zwei Glocken, ein Pfarrhaus und eine Mauer um den neuen Friedhof errichten.
1595
Innerhalb der Münsterlinger Klostermauern wird ein neues Gebäude eingeweiht. Es ist heute nicht mehr vorhanden. Das Sandsteinrelief hingegen, das wohl beim Haupteingang angebracht war, ist erhalten geblieben. Die Inschrift lautet: Anno 1595 hat die ehrwürdige geistliche Frau Magdalena Peter aus Uri, Äbtissin allhier, dieses Haus erbaut.
1600
In Altnau amtet wieder ein katholischer Priester. Das Altnauer Gotteshaus wird zur Simultankirche. Sie bleibt es bis zum Jahr 1812.
1611
Eine schwere Pest zieht durch die Region. In der Stadt Konstanz sterben 1400 Menschen, ein Viertel der Einwohner, an der Seuche. In den thurgauischen Landgemeinden ist der Anteil der Toten eher höher. 1629 und 1635 folgen zwei weitere Pestzüge, die aber nicht so viele Opfer fordern.
1618
Die Kirche in Scherzingen ist vollendet. Es handelt sich um das erste Gotteshaus im Thurgau, das eigens für Evangelische errichtet wurde. Die Baukosten für die Kirche und das neue Pfarrhaus hat das Kloster Münsterlingen zu tragen. Die katholischen Klosterfrauen behalten die Kollatur, das heisst das Recht zur Wahl und zur Einsetzung des evangelischen Pfarrers.
1618 - 1648
Der Dreissigjährige Krieg bringt Schrecken und Not in die Bodenseeregion. Mehrmals flüchten die Nonnen von Münsterlingen ins Landesinnere.
1619
Nach dem Ausbruch des Dreissigjährigen Krieges wird im Thurgau eine Wehrordnung organisiert. Die Landschlachter und Scherzinger Wehrfähigen werden dem Emmishofer Quartier unterstellt. Auf dem Hügel über Landschlacht wird eine Hochwacht, ein Posten mit vorbereitetem Höhenfeuer, eingerichtet. Das jeweils heute noch am 1. August lodernde Augustfeuer ist eine Erinnerung an dieses eidgenössische Alarmsystem.
1620
Auf Geheiss der Eidgenossen, welche verlangen, dass niemand ohne einen Herrn sein dürfe, müssen sich auch die freien Bewohner von Landschlacht der Niederen Gerichtsbarkeit des Klosters Münsterlingen unterordnen. Damit wird die ganze - zum grössten Teil evangelische - Gemeinde Landschlacht von den katholischen Nonnen beherrscht. Scherzingen bleibt in der Vogtei Eggen, in welcher die katholische Stadt Konstanz die Niedere Gerichtsherrschaft ausübt.
1622
In der St. Leonhardskapelle wird wieder ein Altar errichtet.
1629
Erneut fordert ein Pestzug viele Opfer in den Gemeinden am See. In den Gemeinden Altnau und Landschlacht sterben rund 300 Menschen.
1631
Im Kloster Münsterlingen treffen zahlreiche katholische Flüchtlinge aus Süddeutschland ein. Manche von ihnen halten sich während Monaten hier auf.
1632
Schwedische Truppen am Nordufer des Bodensees veranlassen einige Münsterlinger Nonnen zur Flucht in die Innerschweiz. Wertvolle Gegenstände und Akten des Klosters werden nach Rapperswil in Sicherheit gebracht.
1633
Die schwedischen Truppen belagern die Stadt Konstanz von der thurgauischen Seite her. Die Klostergebäude von Münsterlingen dienen ihnen als Stützpunkt und Befehlszentrale. Bei ihrem Abzug legen sie Feuer, das von Landschlachter Anwohnern gelöscht wird.
1636
Im Dachreiter der Scherzinger Kirche wird eine von Rosenlächer in Konstanz gegossene Glocke aufgehängt.
1644
Die St. Leonhardskapelle in Landschlacht wird durch den Konstanzer Weihbischof neu eingesegnet - gegen den Widerstand der Gemeinde. Sie ersetzt die Altnauer Heiligkreuzkapelle, welche von den Schweden 1633 niedergebrannt worden ist. Das Kästchen in der Nordwand erinnert mit seiner Jahrzahl an die Einweihung.
1646
Johann Balthasar Ambühl (genannt Collinus) wird zum Pfarrer der Gemeinde Scherzingen gewählt. Er zeichnet nicht nur kirchliche Ereignisse auf, sondern hinterlässt Notizen zum Zeitgeschehen, zum dörflichen Alltag und zur Witterung und wird so zu einem wichtigen lokalen Chronisten.
1647
Collinus beginnt die Führung einer Schule. Als Schulzimmer dient ein Raum im Pfarrhaus. Aus seinen vier Gemeinden - Scherzingen, Bottighofen, Kurzrickenbach und Egelshofen - besuchen bis zu 80 Kinder den Unterricht.
1649
Laut Collins Aufzeichnungen zählt die Gemeinde Scherzingen 139 Seelen, davon waren 63 Kinder.
1652
Collinus führt die Nachtschule ein, während des Winters ein abendlicher Schulunterricht für Heranwachsende.
1655
Die Gemeinde Scherzingen sei „der Religion halben rein“, schreibt Collinus in seinen Aufzeichnungen. Das heisst, dass keine Katholiken hier Wohnsitz haben.
1656
In der Eidgenossenschaft ist der Erste Villmerger Krieg ausgebrochen. Im Dezember 1655 marschieren zürcherische Truppen in den Thurgau ein. Im Januar 1656 wird eine Besatzung von 400 Mann im Kloster einquartiert. Die Nonnen sind bereits in die nahe Stadt Konstanz geflüchtet.
1667
Das Kloster Münsterlingen erhält aus Rom die Gebeine des Katakomben-Heiligen Adrian. Sie werden prunkvoll gefasst und von nun an in der Klosterkirche präsentiert.
1676
Erstmals taucht in den Akten ein Landschlachter Lehrer, „schuelmeister“ Friderich Keller, auf.
1684
Der See friert wieder zu. In feierlicher Prozession wird die Johannesstatue von Hagnau zurück ins Kloster Münsterlingen gebracht.
1691
Einer grossen Hungersnot erliegen wieder zahlreiche Menschen. Die Evangelische Kirchgemeinde Altnau, zu der auch die Landschlachter zählen, verliert etwa einen Fünftel ihrer Bewohner.
1709
Der Vorarlberger Baumeister Franz Beer von Blaichten erhält den Auftrag, in Münsterlingen ein neues Klostergebäude mit Kirche zu errichten. Als Bauplatz für den Neubau wird eine Hangverflachung gewählt, nicht mehr unmittelbar am Seeufer gelegen. Der Standort liegt in der Vogtei Eggen, weswegen mit der Stadt Konstanz ein Ausscheidungsvertrag abgeschlossen werden muss. Die Bauleute müssen die meisten Gebäude des alten Klosters abbrechen und das gewonnene Material im Neubau verwenden. Das erst 1665 errichtete grosse Gästehaus am See bleibt allerdings stehen.
1712
Der Vorarlberger Baumeister Franz Beer von Blaichten erhält den Auftrag, in Münsterlingen ein neues Klostergebäude mit Kirche zu errichten. Als Bauplatz für den Neubau wird eine Hangverflachung gewählt, nicht mehr unmittelbar am Seeufer gelegen. Der Standort liegt in der Vogtei Eggen, weswegen mit der Stadt Konstanz ein Ausscheidungsvertrag abgeschlossen werden muss. Die Bauleute müssen die meisten Gebäude des alten Klosters abbrechen und das gewonnene Material im Neubau verwenden. Das erst 1665 errichtete grosse Gästehaus am See bleibt allerdings stehen.
1716
Die Konventsräumlichkeiten des neuen Klosters Münsterlingen sind bezugsbereit. Im Innern der Klosterkirche wird mit der Ausstattung begonnen.
1717
Das baufällig gewordene Scherzinger Pfarrhaus soll durch ein neues ersetzt werden. Das alte überlässt man den Katholiken.
1727
Die neue Kirche des Klosters Münsterlingen wird durch den Bischof von Konstanz geweiht.
1755
Aus diesem Jahr stammt die jüngere der beiden Glocken im Dachreiter der Landschlachter St. Leonhardskapelle.
1756
Eine Liste der fallpflichtigen Einwohner von Landschlacht zählt 331 namentlich erwähnte Bewohner auf. Davon sind 165 erwachsen; 166 sind Kinder. 76 Männern stehen 89 Frauen gegenüber, 86 sind Knaben, 80 Mädchen. 18 Familien haben nur 1 Kind, 9 deren 2, 13 deren 3, je zwei Familien haben 6 oder 7 Kinder; in der grössten leben 11 Kinder.
1798
Französische Truppen dringen in die Schweiz ein und bringen die alte föderalistische Ordnung der Eidgenossen zum Einsturz. Der Thurgau, von 1460 bis dahin eine Gemeine Herrschaft, wird ein freier Kanton. Die Zeit der Gerichtsherren ist vorbei. Die Stadt Konstanz als Gerichtsherrin über Scherzingen, die Klosterfrauen von Münsterlingen als Gerichtsherrinnen über Landschlacht verlieren ihre hoheitlichen Rechte. In Münsterlingen wird eine Abteilung französischer Soldaten einquartiert, Offiziere und Gemeine und eine Anzahl Berittene.
Die thurgauische Regierung verfügt, dass die Klöster im Kanton Güter weder verkaufen noch erwerben dürfen. Gleichzeitig wird die Aufnahme neuer Novizen untersagt.
Joseph Anderwert, Oberamtmann des Klosters Münsterlingen und Sekretär des Gerichtsherrenstandes, wird Mitglied der Regierung der Helvetischen Republik. Er ist von 1798 bis 1802 in verschiedenen Ämtern tätig, als Grosser Rat, als Gesetzgebender Rat, als Senator und als Mitglied der Tagsatzung.
Die Evangelischen in Scherzingen und Bottighofen verweigern dem Pfarrer seinen Lohn mit der Begründung, es müsse jetzt niemand mehr Abgaben entrichten. Bis 1804 erhält der Pfarrer weder einen Lohn noch Naturalvergütungen.
1799
Der Helvetische Staat lässt die Bevölkerung zählen. In Landschlacht wohnen 451 Menschen. Davon sind 146 Aktivbürger. Dazu kommen noch 57 Bewohner von Münsterlingen. In Scherzingen wohnen 181.
Am Bodensee ist Krieg zwischen den Franzosen und Heeren der Österreicher und Russen. In Landschlacht und Scherzingen sind über 100 Soldaten stationiert. Die Gemeinden leiden sehr unter den Einquartierungen durch französische Truppen und deren Forderungen nach Lebensmitteln, Fuhrdiensten und Futter für die Pferde. Die erzwungenen Ausgaben belaufen sich in Landschlacht für die Jahre 1799 und 1800 auf über 25'000 Gulden.